Die Brutstätte

An die tausend Männer und Frauen aus dem Tourismusgewerbe, dazu gut zwei Dutzend österreichische Touristen säßen momentan wegen der tirolweit verhängten Ausgangssperre fest im Wintersportort. Wie viele Österreicher in Ischgl aktuell infiziert seien, wisse er nicht, sagt Kurz.

Das 1600-Einwohner-Dorf Ischgl ist stolz auf gut eine Million Übernachtungen pro Jahr und sorgt mit mehreren Millionen Kubikmetern Kunstschnee dafür, dass Besucher aus dem europäischen Norden hier von November bis Mai auf Skiern stehen können. Ab dem Nachmittag dürfen die Gäste für gutes Geld in Etablissements wie dem Kuhstall, der Schatzi-Bar oder der Champagnerhütte Party machen.

Zum Verhängnis in Zeiten der Pandemie wurde den Feierfreudigen nun offenkundig der Aufenthalt in der Après-Ski-Bar „Kitzloch“ am Ischgler Galfeisweg unweit der Talstation: Ein dort beschäftigter Barkeeper soll mit dem Coronavirus infiziert gewesen und verantwortlich dafür sein, dass sich unzählige Touristen, vor allem aus Skandinavien und Deutschland, angesteckt haben.

Mehr als jeder zweite erkrankte Norweger und jeder dritte Däne gibt an, sich in Österreich infiziert zu haben. Auch in Norddeutschland häufen sich die Meldungen positiv getesteter Ischgl-Urlauber. Im württembergischen Ostalb-Kreis hält unterdessen noch die Suche nach jenen Tagesurlaubern an, die Ende Februar und Anfang März in Bussen zum Skifahren nach Ischgl verfrachtet worden waren.

Fast ist es, als habe sich das Corona-Virus als Brutstätten der Verbreitung Gegenden ausgesucht, an denen der Widersinn der modernen, globalisierten Freizeitindustrie am besten zu besichtigen ist: Im Ischgler Kitzloch und in anderen Tiroler Après-Ski-Tränken stehen die Gäste aus aller Welt abends so dicht an dicht, dass das Bedienungspersonal nur mit Hilfe schriller Töne aus Trillerpfeifen einen Weg zu bahnen versteht. Wenig verwunderlich, dass unter diesen Umständen ein einziger Bar-Mitarbeiter mindestens 24 Menschen ansteckte.

Was erstaunt, ist vielmehr die Tatsache, dass das feuchtfröhliche Treiben in Ischgl bis zum Freitag ungehindert weiterlaufen konnte. Gut möglich, dass die Hintergründe vor Gericht geklärt werden müssen.

DER SPIEGEL

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