„Die Pandemie ist der ideale Nährboden für die Mafia“

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Dramatischer noch ist, dass die Mafia sich im ganzen Land auch im Gesundheitswesen ausgebreitet hat, wie etwa die Verurteilung von Carlo Chiriaco beweist. Der Direktor der Gesundheitsbehörde im norditalienischen Pavia war zugleich Kontaktperson der ’Ndrangheta, also der kalabrischen Schwester der sizilianischen Mafiaorganisation Cosa Nostra.

Ein weiterer Vorteil der organisierten Kriminalität in Krisenzeiten ist die nachlassende Aufmerksamkeit. Die Pandemie dominiert die Nachrichten fast vollständig, sodass die Mafia unbemerkter operieren kann, und der sowieso schon schleppend langsame Justizapparat hat noch weniger Handlungsdruck.

Natürlich leidet auch die Mafia unter der eingeschränkten Bewegungsfreiheit im Rahmen des Lockdowns, doch sie ist agil und kann sich schnell auf die veränderten Bedingungen einstellen. So wurde etwa der Drogenhandel kurzerhand von öffentlichen Plätzen in die endlosen Menschenschlangen verlegt, die sich dieser Tage in ganz Italien vor Supermärkten und Apotheken aufreihen. Lesen Sie auch

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Doch die Vorteile, die die Mafia aus der Corona-Krise ziehen kann, enden keinesfalls, wenn die strengen Vorsorgemaßnahmen zur Eindämmung des Virus gelockert werden. Denn nach der Pandemie wird Italien sich in einer schweren Wirtschaftskrise wiederfinden, in der die Mafia auch ihre hohe Liquidität zu ihrem Vorteil nutzen kann.

Giuseppe Sala, der Bürgermeister von Mailand, formulierte das Risiko für seine Stadt so: „Nach dieser Krise werden die Stärksten die besten Chancen haben, Geschäfte zu machen. Die Mafiaclans verfügen über eine große finanzielle Solidität, sodass sie in der Lage sein werden, die Möglichkeiten, die der Markt bietet, zu nutzen.“

Ernster werde die Situation jedoch im Süden des Landes, so Sala: „Dort wird sich die Mafia um die bedürftigsten Bürger kümmern und diesen Teil der Bevölkerung für sich gewinnen.“ Dieser Gefahr ist sich die italienische Regierung zwar bewusst, doch hat sie mit der Bewältigung der Corona-Krise im Norden und der Vorbereitung des Südens auf eine mögliche Ausbreitung des Virus dort so viel zu tun, dass die Hilfe nicht immer so schnell und unbürokratisch ankommt, wie es nötig wäre. Lesen Sie auch

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So berichten italienische Zeitungen neidvoll darüber, dass bedrängte Unternehmer in Deutschland unbürokratische Soforthilfen der Regierung in beträchtlicher Höhe bekommen. In Italien brach dagegen am 1. April die Webseite der Steuerbehörde zusammen, weil zu viele Selbstständige, denen die Arbeit weggebrochen war, den „Bonus Coronavirus“ in Höhe von 600 Euro beantragen wollten – sie bleiben damit auch zwei Wochen nach der Schließung der Geschäfte vorerst ohne staatliche Unterstützung.

Der Staatsanwalt Nicola Gratteri, der wegen seines Kampfes gegen die kalabrische ’Ndrangheta seit 1989 unter Polizeischutz steht, schlug nun in der Radiosendung „Circo Massimo“ vor, die Ausschüttung von Hilfsgeldern der Regierung zur Abfederung der Corona-Krise mit der Bekämpfung der Mafia zu verbinden. Die Finanzmittel, die über die kommunalen Verwaltungen an Bedürftige verteilt werden, solle der Staat nur zur Verfügung stellen, wenn der jeweilige Bürgermeister erkläre, wer wie viel Geld bekommt und welcher Empfänger unter Mafiaverdacht steht.

„Es ist gut, den Bürgermeistern die Mittel direkt zur Verfügung zu stellen, weil man damit viele Schritte spart“, so Gratteri. „Aber wenn der Bürgermeister ein Mafioso oder ein Mittelsmann der Mafia ist, wird er alle Vorteile den üblichen Verdächtigen und seinen potenziellen Wählern weiterreichen, und die anderen werden nichts bekommen.“ Wenn dagegen wenigstens Listen der Begünstigten angelegt und Verdachtsfälle darin notiert würden, gäbe es etwas mehr Transparenz. Und die ist vielleicht das wichtigste Mittel gegen die Mafia.

DIE WELT

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